Dingpraktiken II
 
Projekttitel
Vom Umgang mit Dingbildern im Kontext von Heldenverehrung und Opfergedenken – Beispiel Freiburg
Ziel
Das Selbstverständnis ganzer Gesellschaften, aber auch kleinerer oder größerer sozialer Gruppen, orientiert und reguliert sein Zusammenleben an gemeinschaftlich geteilten Werten, wie sie explizit in Gesetzestexten, Verfassungen, aber auch Unternehmensphilosophien oder anderen diskursiven Medien formuliert sind. Daneben und zugleich artikulieren sich Werte jedoch auch im sozialen Handeln sowie im ganz alltäglichen Umgang mit natürlichen Dingen und Artefakten. Unser Forschungsinteresse galt solchen Dingpraktiken und ihren impliziten Werthaltungen und Bedeutungsstrukturen.

Dabei konzentrierten wir uns in Dingpraktiken II auf sichtbare und materiale Ausdrucksgestalten wie Denkmale, Mahnmale oder Grabmale, aber auch auf so Flüchtiges wie Graffitis oder niedergelegte Blumen.

Oft politisch aufgeladen und umstritten, besetzen oder schaffen diese Dingpraktiken prägnante Orte im Stadtbild, indem ihre architektonisch-bildnerischen Arrangements mehr oder weniger nachdrücklich Aufmerksamkeit fordern. Häufig handelt es sich um figurative Darstellungen von Helden oder Stars, aber auch von Opfern oder Repräsentanten einer sozialen oder religiösen Bewegung, mit denen an öffentlichem Ort Verehrung und Bewunderung, Gedenken und Erinnerung einzelner Menschen einen bildhaften Ausdruck finden. Wir suchen besser zu verstehen, wie sie als Realisierungsformen kollektiver Würdigungen „funktionieren“.

Wie sind solche kollektiven Inszenierungen aufgebaut, wie ist das Passungsverhältnis zu ihrer Umgebung, welcher impliziten Regelstruktur folgen sie? Lassen sich historische Gestalttransformationen ausfindig machen – etwa von traditionalen Denkmälern, die konkrete Figuren heroisieren hin zu abstrakteren Konzeptionen in jüngerer Zeit – oder sehen wir uns immer nur Reproduktionen hergebrachter Ausdrucksgestalten gegenüber?
Anlass
Eine Kooperation des Instituts für Visual Profiling (Richard Schindler) an der Freien Landesakademie Kunst mit dem Fach Soziologie der Philosphischen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Tobias Schelchtriemen im Sommersemester 2015.
Ansprechpartner
Richard Schindler, Freie Landesakademie Kunst; Tobias Schlechtriemen, Universität Freiburg - Soziologie
Was getan wurde
In einem ersten Seminatblock erörterten wir ausgewählte Texte von

Reinhart Koselleck, Kriegerdenkmale als Identitätsstiftungen der Überlebenden, in: Odo Marquard und Karlheinz Stierle (Hg.), Identität, München 1979;

Richard Sennett, Verfall und Ende des öffentlichen Lebens. Die Tyrannei der Intimität, Frankfurt a. M.: Fischer Taschenbuch 2004;

Jean Baudrillard, Kool Killer oder Der Aufstand der Zeichen, Berlin: Merve Verlag 1978;

Hans-Georg Soeffner, Auslegung des Alltags - Der Alltag der Auslegung. Zur wissenssoziologischen Konzeption einer sozialwissenschaftlichen Hermeneutik, Konstanz: UVK, 2004;

James E. Young, „Erinnerung, Gegenerinnerung und das Ende des Denkmals“, in: Ders., Nach-Bilder des Holocaust in zeitgenössischer Kunst und Architektur, Hamburg: Hamburger Edition 2002

James E. Young, Die Zeitgeschichte der Gedenkstätten und Denkmäler des Holocausts, in: Ders. (Hg.), Mahnmale des Holocaust, München und New York: Prestel 1994.

Dann wurden in ethnografischen Streifzügen in Freiburg unterschiedlichste Formen kollektiver Würdigungen ausfindig gemacht und fotografisch dokumentiert.

Diese Bilddokumente wurden in einem weiteren Seminarblock bildnerisch-wissenschaftlich analysiert und interpretiert. Dazu wurde im Seminar eine geeignete Methode der Bildanalyse erarbeitet und in durchaus kritischer Absicht gefragt, was mit den untersuchten Sachverhalten sichtbar intendiert ist und welche Aspekte sich - demgegenüber - methodisch kontrolliert als latente Sinnstruktur rekonstruieren lassen.